Monitoring Suction Bucket Jacket
Leitung: | Prof. Dr-Ing. Martin Achmus |
Team: | Dipl.-Ing. Tim Gerlach, M.Sc. Jann-Eike Saathoff, Dipl.-Ing. Christian Schröder, Dipl.-Ing. Klaus Thieken |
Jahr: | 2017 |
Förderung: | BMWi / PtJ |
Laufzeit: | 01.08.2014 – 31.07.2017 |
Ist abgeschlossen: | ja |
Beschreibung:
Das Forschungsprojekt "Monitoring SBJ" ist ein Verbundvorhaben der Projektpartner DONG Energy Wind Power, Leibniz Universität Hannover (LUH) und der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM). Als assoziierter Partner ist das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie im Projekt eingebunden.
Motivation
Das zentrale umweltpolitische Ziel der Bundesregierung ist es, den Anteil erneuerbarer Energien bis zum Jahr 2050 auf rund 80 % des Bruttostromverbrauchs zu steigern. Ein wichtiger Beitrag hierfür ist die Reduzierung der Energieproduktionskosten, indem kosteneffizientere Gründungs- bzw. Tragstrukturen entwickelt und zeitnah zum Einsatz gebracht werden.
Stand der Technik
Derzeit steht Deutschland immer noch am Anfang umfangreicher Bautätigkeiten in der deutschen Nord- und Ostsee. Zunehmend ist daher davon auszugehen, dass mehrere Bauvorhaben parallel durchgeführt werden müssen, um den Ausbau der Offshore-Windenergie zu beschleunigen und damit die ambitionierten Ziele zu erreichen. Stand der Technik bei der Verankerung von Offshore-Windenergieanlagen am Meeresboden ist nach wie vor die Rammpfahlgründung. Der Einbringvorgang ist mit erheblichen Hydroschallemissionen verbunden, die die Grenzwerte für Schallimmissionen 160 dB re 1 μ Pa für den Einzelereignis-Schalldruckpegel und 190 dB re 1 μ Pa für den Spitzenpegel in einer Entfernung von 750 m in der Regel deutlich überschreiten, sofern keine Schallminderungsmaßnahmen eingesetzt werden. Alternativ zu Schallminderungsverfahren, aber weitestgehend noch im Stadium der Entwicklung und Erprobung befindlich, sind Gründungsvarianten, die ohne impulsartigen Rammschall errichtet werden können, derzeit intensiver Gegenstand der Forschung. In diesem Kontext sind insbesondere aufgelöste Gründungskonstruktionen wie beispielsweise das Jacket, in Kombination mit Suction Buckets, die im Vergleich zu Schwerkraftgründungen flächenmäßig nur minimal in die Meeresumwelt eingreifen, aussichtsreiche Lösungen.
In den letzten Jahren wurden verschiedene Monopod-Gründungen für Messmasten (z.B. für OWP Horns Rev 2 oder Doggerbank) installiert. Seit mehr als 10 Jahren ist in Frederikshavn (Dänemark) eine prototypische Monopodgründung, die eine 3 MW-Anlage trägt, in Betrieb. Eine besondere Herausforderung stellt bei einem Monopod das lotrechte Einbringen während der Errichtung dar. Um Schiefstellungen zu vermeiden, wurden Systeme mit separaten Kammern entwickelt. Zusätzlich werden komplexe Justiertechniken verwendet. Ein weiterer kritischer Punkt sind die erforderlichen großen Abmessungen, die Stabilitätsversagen beim Installationsvorgang verursachen können und die Materialkosten in die Höhe treiben. Verglichen mit Monopods haben Multipods - Gründungen, die standardmäßig drei oder vier Buckets verwenden - den Vorteil, dass
- Schiefstellungen während des Installationsvorgangs einfach über Unterdruckveränderungen der einzelnen Buckets vermieden werden können,
- die einzelnen Buckets kleinere Abmessungen haben und daher weniger stabilitätsgefährdet sind,
- der Installationsvorgang beschleunigt wird.
Bisher fehlen praktische Erfahrungen mit derartigen Gründungskonstruktionen unter der für Offshore-Windenergieanlagen typischen Lastsituation (große Horizontal- und Momentenbelastung bei relativ geringen statischen Vertikallasten, zu dem große zyklische Lasten mit wiederkehrenden Zuglastspitzen). Demzufolge gibt es weder normierte Berechnungsverfahren noch Nachweiskonzepte. Auch fehlen validierte Strukturmodelle, die die nichtlineare und zudem von der Belastungsgeschichte abhängige Boden-Bauwerk-Interaktion berücksichtigen und mit denen das Tragverhalten infolger zyklische und dynamischer Lasten berechnet werden kann.
Das Suction Bucket Jacket (SBJ)
DONG Energy Wind Power hat eine innovative Konstruktion entwickelt, bei der eine optimierte, industriell gefertigte Jacketstruktur mit Suction Buckets (im Folgenden kurz "SBJ" genannt) kombiniert wird. Die Gründungskonstruktion ist für die 5 bis 8 MW-Klasse und Wassertiefen bis zu 60 m konzipiert.
Das SBJ wurde im August 2014 im OWP Borkum Riffgrund 1 in der deutschen Nordsee installiert (Video). Der Turm und die Turbine der Firma Siemens mit einer Leistung von 4 MW wurden im Januar 2015 installiert. Das SBJ ist mit einer umfangreichen messtechnischen Instrumentierung versehen worden. An der Jacketstruktur werden mittels Wellenradar und Dehnungs-, Neigungs- und Beschleunigungssensoren Lasten sowie Verformungen der Gründungstruktur ermittelt. An den einzelnen Buckets wurden Neigungs- und Beschleunigungssensoren sowie Porenwasserdruckgeber in unterschiedlichen Tiefen angeordnet. In Verbindung mit Dehnungsmessungen im Anschlussbereich an die Jacketstruktur wird es damit möglich, Belastungen und das zugehörige Tragverhalten der einzelnen Suction Buckets dezidiert zu beobachten. Auch entlang des Turmes sind Beschleunigungssensoren angebracht worden, um somit das dynamische Tragverhalten der Gesamtstruktur zu beobachten.
Projektziele:
Im Rahmen des Projekts sollen sowohl die Installation als auch das Tragverhalten von Gründung und Gesamtstruktur intensiv messtechnisch begleitet werden. Die Messergebnisse dienen der Validierung der im Projekt entwickelten Berechnungsverfahren und des Strukturmodells. Bezüglich des Installationsvorgangs kann davon ausgegangen werden, dass die oben genannten Grenzwerte für Schallimissionen eingehalten werden, da energiereicher, impulsartiger Schall vermieden wird. Diese Prämisse soll aber ebenfalls im Rahmen des Projekts überprüft werden.
Ziele des Gesamtprojekts
Einer der Hauptgründe für das Projekt ist die Validierung der zur Zeit vorhandenen Berechnungsmethoden zur Bemessung von Suction Bucket Gründungen, um die Nachweisverfahren verbessern zu können. Es bestehen noch viele Unsicherheiten bzgl. der Bemessungsparameter, welche bisher durch sehr konservative Annahmen kompensiert werden müssen. Das Tragverhalten unter zyklischer Belastung im Betrieb und unter der Extremlast im Bemessungssturm ist nicht weit genug erforscht. Gerade bei der Zugtragfähigkeit besteht ein hoher Forschungsbedarf, welcher am ehesten durch Messungen an einem Prototyp im Maßstab 1:1 gedeckt werden kann.
Ziel des Projekts ist zum Einen, relativ aufwendige numerische Simulationsmethoden zu entwickeln und mittels der Messungen zu validieren und damit das grundsätzliche Tragverhalten von Suction Bucket Jackets zu klären bzw. genauer zu verstehen. Zum Anderen sollen aber auf Grundlage der erhaltenen Erkenntnisse auch Werkzeuge für die Vordimensionierung sowie möglichst einfache Verfahren für die Dimensionierung von Suction Buckets in der praktischen Bemessung entwickelt werden. Für das übergeordnete Ziel, Suction Bucket Jackets als innovativer und umweltfreundlicher Gründung den Weg in die praktische Anwendung zu bereiten, sind solche in der Praxis handhabbaren Verfahren von großer Wichtigkeit. Gegenwärtig sind OWEA auf SBJ-Gründungen noch nicht zertifizierungsfähig und eine Genehmigung kann nur erteilt werden, sofern die Beobachtungsmethode zur Anwendung kommt. Die erwartbare Genehmigungs-, Zertifizierungs- und Finanzierungsfähigkeit nach Projektende hängt im Wesentlichen davon ab, ob der Nachweis der Installierbarkeit in situ erbracht ist und ob mittelfristig praxisnahe validierte Modelle und Berechnungsansätze zur Bemessung von Suction Buckets existieren. In "Monitoring SBJ" werden die benötigten Modelle und Berechnungsansätze entwickelt. Inwieweit diese anhand der Messungen am Prototypen validiert werden können, hängt davon ab, ob geeignete Messereignisse eintreten. Nur auf Basis validierter Berechnungsmethoden und -modelle ist langfristig damit zu rechnen, dass durch Designoptimierung wesentliche Fortschritte bei der Kostenreduzierung erzielt werden.
Wissenschaftliche und technische Arbeitsziele
Sowohl einzelne Extremlasten als auch zyklische Lasten beeinflussen das Druck- und Zugtragverhalten der Gründung. Zyklische Lasten führen durch die in wechselweiser Richtung entstehenden Schubdehnungen zu einer Akkumulation von Porenwasserüberdrücken. Diesem Mechanismus wirkt entgegen, dass die Porenwasserüberdrücke durch eine zeitabhängige Dissipation abgebaut werden. Die Tragfähigkeit des Baugrunds hängt daher in hohem Maße von der Balance zwischen diesen beiden Effekten ab. In bisher bestehenden Bemessungsmethoden wird versucht, diese Effekte hinreichend genau abzuschätzen, eine Verifikation dieser Abschätzungen durch Porenwasserdruckmessungen an einem Prototyp im Maßstab 1:1 fehlt jedoch.
Weitere Unsicherheit besteht hinsichtlich der Zugtragfähigkeit von Suction Buckets. Bei den leichtgewichtigen aufgelösten Tragstrukturen für OWEAs kann eine zeitweise oder sogar andauernde Zugbelastung eines der Gründungskörper nicht ausgeschlossen werden. Kurzzeitiger Zugbelastung bieten Suction Buckets einen guten Widerstand durch den entstehenden Unterdruck im Inneren des Buckets, dieser baut sich jedoch bei längerer Belastung durch Dissipation wieder ab. Die genaue Reaktion der Gründung auf längerfristige Zugbelastung ist nicht bekannt, daher ist eine Messung des Unterdrucks unter dem Deckel besonders wichtig.
Die Vorhersage der Verformungsakkumulation infolge zyklischer Lasten (und auch einzelner Extremlasten) ist sehr schwierig. Es ist unwahrscheinlich, dass eine genaue Vorhersage der Verformungen mithilfe von kleinmaßstäblichen Modellversuchen oder mit an diesen Versuchen kalibrierten FE-Modellen getroffen werden kann. In situ-Erprobungen mit realen Lastsituationen ermöglichen, auf Basis der gemessenen Verformungen die Gebrauchstauglichkeits- und Ermüdungsnachweise zu führen.
Effiziente numerische Strukturmodelle mit realen Kopplungssteifigkeiten unter Berücksichtigung der Boden-Bauwerk-Interaktion werden benötigt, um die Standsicherheit nachzuweisen und kritische Bereiche mit lokalen Spannungsspitzen zu identifizieren. Sowohl für Standsicherheits- und Ermüdungsnachweise als auch zur Beurteilung des dynamischen Verhaltens sind die Systemsteifigkeiten bzw. die Last-Verschiebungs-Reaktionen von großem Interesse. Für welche Belastungssituationen und unter welchen Annahmen Gründungssteifigkeiten von Suction Buckets zu berechnen sind, ist eine bislang nicht abschließend geklärte Frage. Die Messung zeitabhängiger Verformungen, Verschiebungen, Kräfte und Porenwasserüberdrücke ist daher ein wesentlicher Aspekt, um die Berechnungsmethoden zu verbessern und genauere Vorhersagen treffen zu können.
Literatur:
Achmus et al. (2017): „Verbundprojekt: Monitoring Suction Bucket Jacket - Monitoring SBJ : Schlussbericht zum Teilvorhaben der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover“, Institut für Geotechnik, Leibniz Universität Hannover. (DOI: https://doi.org/10.2314/GBV:1011240475)